Robert Schumann in einer hinreissenden Transformation

Die zehnte Auflage von «öffnen» bot Lia Pale und ihrer Band eine Plattform, einem eher an Klassik gewöhnten Publikum, den Reiz des Jazz näher zu bringen.

Ob Robert Schumann an der Musik Freude gehabt hätte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, man darf es aber vermuten. Das Publikum im gut besetzten Rittersaal freute sich auf jeden Fall riesig über die Schumann–Adaptionen aus Mathias Rüeggs Feder. Sein Jazz nimmt Schumanns Stimmungen und Motive auf, verwandelt diese und transformiert sie in etwas Neues. Klassik wird zu gepflegtem Jazz. Nicht das Archaische, das dem Jazz innewohnen kann, steht im Vordergrund, sondern das Feine, Feinsinnige und Charmante. Lia Pale zeigte sich als Sängerin und Flötistin anfänglich scheu, überrascht, dass ihr Schumann Song Book bereits ins Tagi-Wochenpreis-Quizrätsel Eingang gefunden hat. Doch sie kokettierte damit wohl auch mit ihren Mitmusikern und mit dem Publikum. Und sie verwandelte ihre gespielte oder wirkliche Verlegenheit in begeisternde Musik. Schumanns oft düstere und seltener hoffnungsvolle Lieder fanden sich verwandelt in Balladen. Und wenn auch oft nur noch der Anfang an Schumann erinnerte, entstand in jedem Song ein grossartiges Stück Musik. Dabei von musikalischen Kategorien oder Crossover zu sprechen ist hinfällig. Jeder einzelne Song besteht so wie er ist als eigenständiges Kunstwerk und ist damit geeignet, die Barrieren zwischen eingerosteten Denkstrukturen zu öffnen. Ganz entsprechend dem Motto des Abends. Gesungen sind alle Lieder auf Englisch, Lia Pales charmantes Wienerisch, mit dem sie die Herzen des Publikums im Flug eroberte, hätte auch gepasst. Dabei hatte sie neben dem Arrangeur und Pianisten Mathias Rüegg, mit Hans Strasser am Bass, Ingrid Oberkanins am Schlagzeug und dem hinreissenden Trompeter Mario Rom eine Band, nein ein Orchester um sich, von dem jedes einzelne Mitglied den Eintritt wert war.

Tobias Humm