ECHOS... 30. Saison 2023

Vom jodelnden Akkordeon bis zu Tango auf der Autobahn

Leise, flüsternd hebt das erste Stück an, um sorgsam Fahrt aufzunehmen und Schwung zu entwickeln. In bekannter Art aus dem  Balkan mischt es Tempo, Eleganz, Melancholie und Dramatik und, nicht zu vergessen: Besinnlichkeit.

Das Saxophon von Peter Lenzin, die Flöte von Juan Carlos Diaz gespielt und die beiden Akkordeonisten Raphael Brunner und Goran Kovacevic begeisterten vom ersten bis zum letzten Ton. Das berührende Gedicht «Panorama», das Diaz für seinen Vater geschrieben und vertont hat, liess die Klänge im Raum schweben wie einen Blick, der über eine weite Landschaft gleitet, hier an einem Baum, dort an einem Nebelschleier hängenbleibt, um sich zum Schluss in der Ferne zu verlieren. Der Titel der Matinée heisst «No Limits» und ist Programm. In einer weiteren Komposition beschreibt Diaz das Treiben auf einem Markt in seiner kolumbianischen Heimat. Laut und gleichzeitig leise, wirr und doch geordnet, pulsierend und stampfend, mit einer clownesken Reminiszenz an eine Zirkuskapelle, die aus dem Klanggewirr auftaucht und wieder verschwindet. Als nächstes nahmen die vier Musiker das Publikum auf eine Reise über die Autostrada del Sole mit. Das Atmen das Akkordeons, wenn keine Taste gedrückt wird versinnbildlicht vielleicht den frühen Morgen, wenn noch kaum Verkehr herrscht, doch bald donnern musikalische Lastwagen im Wetteifer mit Motorrädern und italienischen Kleinstwagen über den Asphalt. Limousinen brausen vorüber und da: ist nicht soeben eine verirrte Hühnerschar gackernd über die Fahrbahn gerannt? Mit Dave Brubeck ging das beschwingte Musizieren weiter, ob 9/8 Takt oder Tango, egal was, grossartig war’s und sogar eine Art Naturjodel brachten die Musikanten auf ihren Instrumenten glaubhaft zur Aufführung.

Die Zugabe «Demain c’est toi» nach Isabelle Geffroy erinnerte daran, dass auch das ergreifendste Konzert zu Ende geht. Doch wenn so gespielt wird, wünscht man sich, dass dieses Morgen schon bald ist.

Tobias Humm