ECHOS... 31. Saison 2024

Gitarrenmusik von Spanien bis Italien

Joaquim Malats «Serenata Española» entführt mit feinen Klängen in die Welt des Flamenco, einer musikalischen Welt, die man von der Gitarre durchaus erwarten würde. Was dabei in der Interpretation der jungen deutschen Gitarristin Laura Lootens überraschte, war die sensible Musikalität und dass das Grobe, das dem Flamenco oft beigemischt wird, darin keinen Ausdruck fand. Sie spielte in einer poetischen Stimmung, als würde die Sonne erst die ersten Strahlen auf die noch nachtkühle Mancha legen.
Die Musikerin hat bereits in jungen Jahren höchste Auszeichnungen für ihr Spiel erhalten, als Conferencière hätte sie ebensolche verdient. Jedes Stück führte sie mit kurzen Anekdoten ein und wies auf Eigenheiten und Besonderheiten hin.  
Isaac Albeniz’ «Asturias» spielte sie trotz grosser Ruhe mit einer durchgehenden Spannung, in der auch die ganz langsamen Stellen und Pausen tragend klangen.
Joaquin Rodrigo hat mit «Invocation y Danza» Manuel de Falla die Ehre erwiesen und eine Geschichte von Zwangsverheiratung und Rache vertont. Themen anspielend und verwerfend beginnt das Stück bevor sich die Akkorde zu Tanzweisen gruppieren und zu Melodien werden, um die Geschichte tastend und verhalten zu erzählen.
Damit verliess Lootens Spanien und wandte sich der Italienischen Musik zu.
Niccolo Paganini war nicht nur ein Teufelsgeiger, sondern auch einer der ersten Gitarristen. Das Instrument war zu seiner Zeit noch jung und es gab noch wenig Literatur, die speziell dafür geschrieben wurde. So steuerte der Virtuose gleich einiges zum Repertoire bei. Das sollte sich trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Herausforderungen, vor die es die Interpreten stellt, über die Zeit hinweg dort auch behaupten.
Für Nunccio d’ Angelos «Due Canzoni» mussten zwei Saiten tiefer gestimmt werden, und mit ihren Erläuterungen zum Stück erntete Laura Lootens eine wohlmeinende Heiterkeit aus dem Publikum. Die Umstimmung ergab allerdings einen melancholischen Klang, die Musik schien in ein düsteres Licht getaucht. Auch wenn das letzte Stück von Mario Castelnuovo auf dem Programm «Capriccio Diabolico» hiess, das Zurückstimmen der Gitarre liess die Musik eher himmlisch klingen, die Finger glitten über die Saiten, als wäre es eine Leichtigkeit, wie ein Kinderspiel, von forte bis pianissimo, von verhalten bis expressiv. Kein Wunder, es war als eine Hommage an Paganini gedacht.

Tobias Humm

Zu viert mit einer Stimme

Mit sieben Tönen erweist Mendelssohn laut Progammblatt Mozart die Referenz. Doch wo sind sie zu hören? Der glasklare Klang des Leonkoro Quartetts lässt einem akademische Analysen sogleich vergessen. Duchhörbar bis zur letzten Saitenschwingung spielen die vier jungen Musikanten Jonathan Schwarz und Amelie Wallner, Geige, Mayu Konoe mit der Viola und der Cellist Lukas Schwarz Mendelssohns Streichquartett op. 4 mit romantischem Schmelz, aber ohne jeden unnötigen Zuckerguss. Im Scherzo heben die Violinen zu einem wilden Tanz an, während die Viola einen leicht melancholischen Kommentar dazu gibt und das Cello den Klangraum nach unten hin abschliesst. Im Andante herrscht ein gemütlicher, gemessener Gang vor, aber das abschliessende Presto beginnt mit einem musikalischen Blitzlicht. Es folgt ein Gewittersturm, der zuletzt in eine dramatische Auflösung mündet.

Anders in Johannes Brahms’ Quartett op. 51. Das einführende Allegro beginnt in einer düsteren Stimmung, sich im Kreis drehend, um innehaltend zu einem Schluss oder vielleicht Entschluss zu kommen, der an ein zweifelndes oder verzweifelndes Selbstgespräch erinnert. Dieser Gedanke zeigt auch, dass die Darbietung wie aus einer Stimme herauskommt, alles wie aus einem Guss. So werden die vier Stimmen zu einer einzigen, man kann die romantische Schwelgerei geniessen, sich in den Armen von Brahms Musik auch der Melancholie hingeben und mithören, denn plötzlich sind die anfänglich gesuchten sieben Töne hier. In absteigender Folge beschliessen sie das Allegretto und führen über zum Schlussallegro. Hier hat das Zweifeln ein Ende, Brahms scheint mit sich ins Reine gekommen zu sein und lässt seinerseits wiederum Blitz und Donner auffahren. Er hat hier zu einer abschliessenden Aussage gefunden. Auch bei diesen temperamentvollen Passagen klingen die vier Instrumente als wären sie ein einziges.

Die abschliessende Zugabe von Puccini eröffnete das Cello wiederum schwelgerisch und lud dazu ein, nochmals die Lider zu senken und sich ganz den Melodien hinzugeben.


Tobias Humm

Auftakt im Zeichen der Faune

«Prélude à l’après-midi d’un faune» eröffnete die einunddreissigste Saison der Neugutkonzerte. Als wüssten die Faune von einem kommenden heissen Nachmittag, räkelten sie sich schon genüsslich im Vorspiel etwas im Licht der kommenden Sonnenstrahlen und sprangen auf und ab im Labyrinth der Notenlinien.
J. S. Bachs Doppelkonzert für zwei Flöten, Streichquartett, Klavier und Kontrabass ging dagegen flott los, Vivace heisst der erste Satz und drückt Lebensfreude und Temperament aus, die Faune sind dabei restlos erwacht und tanzen über die Sechzehntel und Zweiunddreissigstel Noten, beleitet von den Streichern und dem Klavier.
Die folgende Komposition des Pianisten Edward Rushton sei, so erläuterte er es zu Anfang, eine Musik, die helfen könne zu vergessen, was gar nicht gewesen sei. Sie eigne sich auch zum Einschlafen. Nun, soweit ging niemand, aber das Hin- und Her der sich abwägenden Klangfolgen, die immer ganz ruhige Stimmung, der sich auch das Klavier unterzog, war zwar spannungsreich, aber nie aufregend. Man dachte vielleicht: «Was kommt jetzt?» oder man suchte Vergleiche zu anderen Kompositionen, minimal Music vielleicht, oder man hing einfach im Rhythmus der Musik seinen eigenen Visionen und Träumen nach. Aber: eingeschlafen ist niemand.
Bei Samuel Barbers Adagio für Quartett konnten sich Brita Ostertag und Philipp Bachofner in der Rolle der Faune und der Pianist Edward Rushton etwas zurückziehen. Das Modulor Quartett aus den vier jungen Musikern Gregor Hänssler und Beatrice Harmon Violinen, Mila Krasnyuk Viola und Karl Stauber am Cello nahm die Stimmung aus dem vorherigen Stück auf. Schwingende Klänge mit verhaltener Emotion leiteten über zu einem fröhlichen Schluss mit Debussys Petite Suite, die laut Satzüberschriften zu einer Schifffahrt, zwei Tänzen und einem Ballett einlädt und entliess das Publikum in den Sommertag, wo man zwischen den Bäumen noch den Einen oder Anderen der Faune vermuten konnte.


Tobias Humm

df