ECHOS... 32. Saison 2025

Ein Frauenchor neu gedacht

Das Lyyra Vokalensemble wurde erst vor kurzem gegründet mit dem Ziel, weibliche Stimmen im Chorgesang zu fördern. Von Sopran über Mezzosopran bis Alt lautet in der Folge die Besetzung, oft teilen sie sich die Stimmen auf, sodass sechstimmig gesungen werden kann, was jeweils bei Musik aus der Barockzeit oder Renaissance sehr schön zum Tragen kommt.
Als säuselte der Wind über die einsame Prärie hoben die sechs Amerikanerinnen zu singen an. «Golden Hour» nennen sie ihre Produktion und «When the Earth Stands Still» hiess die erste Komposition des Morgens, geschrieben hat sie der Kanadier Don MacDonald. Ein eindrückliches, ruhiges Stück von 2016. Deutlich älter war das zweite Stück, von der italienischen Renaissance Komponistin Leonora d’ Este «Haec Dies», ein Hallelujasingen, bei dem sich die sechs Stimmen choralartig ineinander verweben und wieder entflechten. Obwohl die meisten der 15 Gesänge, die zur Aufführung gelangten, aus neuerer Zeit stammen, war das alte Stück wunderbar eingebettet und bereitete auch vor auf die Komposition der ersten erfolgreichen amerikanischen Komponistin Amy Beach. «Dusk in June», also Junidämmerung lautet der Titel und ebenso undurchsichtig und irrlichternd wie die Dämmerung nach einem der längsten Tage kam die Musik daher. Beach wagt scheinbare Dissonanzen, reibende Intervalle und bringt so eine Art Kontrapunkt zu den eher populären Liedern des zweiten Teils. Das titelgebende Stück «Golden Hour» bot auch die Chance zu solistischen Einlagen. Die sympathischen Einführungsworte zu jedem Liederblock kamen beim Publikum sehr gut an. Billie Elish, Marvin Fisher oder Leslie Savoy Burrs heissen die Namen der hierzulande doch eher unbekannten Musiker. Unbekannt, obwohl ihre Stücke sehr eingängig sind. Den Abschluss machte das weltbekannte Lied von Paul Simon «Bridge over Troubled Water» in einer sehr ruhigen Interpretation, bevor in einer Zugabe noch richtige Gospelatmosphäre aufkam.

Tobias Humm

Neuguet Konzerte 2025 – Extrakonzert I

Ein Bilderbogen mit Ausflügen in die Moderne

Es war ein musikalischer Bilderbogen von Debussy bis Brahms mit Zwischenhalten in der Moderne. Eine sehr kluge und unterhaltsame Programmierung, welche die Spannung und die Neugier auf das Kommende immer hochhielt. Debussy beginnt seine Sonate für Cello, gespielt von Andrei Ioniță und Suzanna Bartal am Klavier mit grossen Gefühlen, lässt den zweiten Satz mit Pizzicato und Stakkato beginnen. Da klingt schon fast der Jazz der 70-er Jahre an, um dann suchend, findend und abbrechend teils tänzerisch von einem Motiv zu nächsten zu schreiten.
Auch Francis Poulenc zollt dem Jazz seinen Tribut, indem er die Klarinette seiner Sonate oft mehr flüsternd und hauchend einsetzt. Pablo Barragan entlockte dem Instrument viele überraschende Momente und schickt die Klänge auf ein eigentliches Gefühlskarussell, in dem die Klänge wie eine Ballerina in den Raum hüpfen. Im abschliessenden Allegro con Fuoco zündet er, wie es der Name sagt noch ein wahrliches Feuerwerk, das aber auch die Ballerina nicht zu tanzen vermöchte.
Die Passacallia für Piano solo des 1968 geborenen Eric Tanguy hat mindestens in der Interpretation von Suzanna Bartal nichts mit einem Volkstanz aus dem 16. Jahrhundert zu tun. Die Pianistin fährt den Flügel voll aus. Über einer starken Basslinie lässt sie die Melodien wilde Tänze aufführen, sich vom Basso Continuo entfernen, um dann nach einem Ausritt mit ihm zu verschmelzen.
Eine seltene Mischung war die Komposition von Svante Henryson. Klarinette und Cello werden nicht alle Tage kombiniert und so konnte man darauf besonders gespannt sein. Und man wurde nicht enttäuscht. Fröhlich, jazzig mit viel Drive lässt er musikalische Seifenblasen in den Himmel steigen. Schillernd und farbig erfreut einen das Stück namens «Off Pist», das der Matinée auch den Namen gab.
Damit kehrte man aber zurück auf die Piste der klassischen Klassik, zu Johannes Brahms’ Trio op. 114 für Cello, Klarinette und Piano. Schwelgerisch, etwas melancholisch, wiederum ganz grosse Gefühle ausdrückend kommt das Stück daher. Wie könnte es auch anders sein, wenn die Leittonart in Moll ist?

Tobias Humm

Neuguet Konzerte 2025 – 2. Matinee

Wildes und Sehnsüchtiges von Händel bis Rammstein

Ein ruhiger Anfang, war es Bach oder vielleicht Händel? Doch bevor man mit Raten fertig war, wechselte die Tonalität – und romantische, tänzerische aber auch moderne, jazzige Klänge gingen Hand in Hand. «Closer to Paradise» war das Konzert überschrieben, doch die aufgeführten Stücke reichten von paradieser Schönheit bis zu diabolischer Wildheit. Ein wahrer Sturzbach von Virtuosität und Spielfreude stürzte auf das Publikum in den Saal. Vivaldi, Ravel, Schumann und viele andere Urgesteine der Klassik standen Pate zu den Arrangements und sie dürften sich am Spielwitz und Humor der Weiterentwicklungen ihrer Kompositionen gefreut haben.
Das Ensemble Spark überspringt mit seinem extravaganten Musizieren gleich mehrere angeblich in Stein gemeisselte Gesetze der angeblich ernsten Musik. «Spark» setzt sich aus dem Pianisten Christian Fritz, Stefan Balazsovics mit Geige und Viola, mit etwa 40 verschiedenen Blockflöten Andrea Ritter und Daniel Koschitzki und Yotam Baruch am Cello zusammen. Sie vermischen und erweitern das klassische Konzertprogramm mit Zeitgenössischem und schrecken auch vor Bearbeitungen von knallharten Songs der deutschen Hardrockband Rammstein nicht zurück. Die Idee, den Bogen von Händel aus so weit zu spannen, kam aber vom Star und Solisten des Tages, dem Countertenor Valer Sabadus. Mit einzigartiger Sicherheit führt er seine Stimme durch alle die hohen Lagen seines aussergewöhnlichen Faches. Keine Hürde ist ihm zu hoch und besonders die sehnsuchtsvollen und melancholischen Lieder sang er mit seidenweicher Stimme. Man kann das Fach Countertenor mehr oder weniger mögen, aber wenn es so gesungen ist, muss man es lieben.

Tobias Humm

Neuguet Konzerte 2025 – Eröffnung

Minimal Music mit maximalem Einsatz

Drei Triosonaten von Wilhelm Friedemann Bach umrahmten das Eröffnungskonzert der 32. Saison der Neuguet Konzerte. Die Veranstalter musizierten mit dem Lautenisten Rafael Arjona und mit Lev Sivkov am Cello. Dazwischen kamen zeitgenössische Werke zur Aufführung, die sich aber wie selbstverständlich in die barocken Klänge einfügten. „Birdseed", also Vogelfutter streuten Brita Ostertag und Philipp Bachofner in den Raum, komponiert von Mike Curtis. Untermalt wurden die Klänge mit einer Diaschau mit Bildern aus dem üppigen Garten. Akelei, Farn, Margeriten, Bär- und Schnittlauch kamen zu Ehren und auch ein Blick in den Gemüsegarten wurde musikalisch untermalt. Auch bei Ross Edwards «Ecstatic dances» für zwei Flöten schienen die Vögel Samen zu picken, besonders wenn die Interpretation ein Frullato verlangte, das heisst ein Flattern der Zunge bei gleichzeitigem Blasen. Die Musik gehört in die Kategorie Minimal Music, verlangt aber maximalen Einsatz. Die programmässige Rückkehr zum Bach-Sohn Wilhelm Friedemann zeigte schreitende Melodien, wie unter schwerer Mittagshitze und wer genau hinhörte, konnte ein Motiv aus Vater Bachs Kunst der Fuge erkennen.

Doch zurück in die musikalische Gegenwart! Aram Chatschaturjans Sonate-Fantasie für Cello Solo führte wieder in ganz andere Klangwelten. Die leer gestrichene tiefste Saite des Instruments machte den Anfang. Tänzerische Elemente wechselten mit rhythmusdominierten Teilen und dabei wurde das Griffbrett bis zum Äussersten ausgereizt. Eine weitere Triosonate von Wilhelm Friedemann Bach war letzter Programmpunkt. Die Zugabe, ein Arrangement aus Smetanas Moldau beendete das Konzert mit visueller Untermalung.

Tobias Humm