«Musik im Schloss» II

Geballte Italianità für 16 Saiten

Von den vier Musikern aus Genova hatte sich der Veranstalter italienische Musik gewünscht. Sie kamen dem Wunsch nach und zeigten, dass nicht nur nördlich der Alpen ein reiches kammermusikalisches Repertoire entstanden ist.
Den Auftakt machte ein ohrenschmeichelndes Werk des 18-jährigen Luigi Boccerini, zum Einhören in die Italianità ideal. Und eine richtige Kammermusik, zart wie man sie sich vorstellt. Ganz anders geht Giuseppe Verdi ans Werk. Er zaubert aus den 16 Saiten des Quartetts Klänge fast wie für eine Oper und greift gleich zu Beginn zu den grossen Gefühlen. Er lotet die Klangmöglichkeiten der Formation aus und wirkt dabei äusserst modern. Bei vielen Passagen erscheinen vor dem geistigen Auge Szenen aus seinen Operkompositionen, vieles ist tänzerisch wie für ein Ballett geschrieben und lässt staunen, welche Vielfalt im Ausdruck mit den vier Instrumenten erreichbar ist. Nie wird Verdis Musik in der stupenden Interpretation des Quartetto di Cremona abstrakt, immer evoziert sie Bilder, lautmalerisch ist sie im besten Sinn und ausserdem fordernd für die Interpreten.
Nach einem kurzen Innehalten für die Musiker und ihre Zuhörer folgte ein weiterer grosser Opernkomponist. Giacomo Puccini. Sein Crisantemi für Streichquartett schöpft ebenfalls aus dem Vollen und lässt keines der Chrysanthemenblütenblätter ungezupft. Zum Schluss kam ein Werk von Ottorino Rhespigi zur Aufführung. Auch er arbeitet mit einem symphonischen Ansatz, expressiv, dynamisch, durchläuft dabei eine ganze Auffächerung tiefster Gefühle. Dabei lässt er seinem Erfindungsreichtum freien Lauf. So lässt er den zweiten Satz – falls der Schreibende denn genau beobachtet hat –  auf vier leeren Saiten enden, was im Gegensatz zum sonstigen schwelgerischen und vibratoreichen Spiel einen eigenartigen Gegenpol schafft. Und obwohl er durchaus ein Kind des 20. Jahrhunderts war, der Schluss seines Steichquartetts in D-dur könnte in seiner Expressivität und Dringlichkeit vom späten Beethoven geschrieben sein.

 

Tobias Humm